Freie Sachsen und ihre Telegram-Netzwerke

Freie Sachsen – was ist das und wer steckt dahinter

Die Kleinstpartei „Freie Sachsen“ gründete sich erst im Februar 2021 in Bermsgrün, einem Ortsteil von Schwarzenberg im Erzgebirge. Sie versteht sich als Sammlungsbewegung mit Vorliebe für die Monarchie. Sie fordert in ihrem Programm unter anderem einen „Säxit“ – einem Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik – und dass „Verwaltungsleute, Richter und Journalisten aus dem Westen“ in Führungspositionen „geregelt in ihre Heimatländer“ zurückgeführt werden.

Die Führungsfiguren der Partei, die der sächsische Verfassungsschutz bereits im Juni als „erwiesene rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft hat, sind bereits seit Jahren in rechtsextremen und neonazistischen Kreisen aktiv. Sie konnten deshalb von Anfang an auf ein großes Netzwerk zurückgreifen. Statt gegen Migranten und Geflüchtete mobilisiert das nun gegen Corona-Maßnahmen und -Impfungen.

Martin Kohlmann – Vorsitzender der „Freien Sachsen“

Karl Martin Kohlmann ist ein deutscher Politiker (Pro Chemnitz, DSU, früher Republikaner) und Rechtsanwalt. Er wird vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen beobachtet, dem er als „langjähriger Szeneaktivist aus rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt ist“. Kohlmann unterhielt Beziehungen zur ehemaligen NSC (Nationale Sozialisten Chemnitz). Seit Ende 2020 hat er den ehemaligen DortmunderNeonazi-Kader Michael Brück als Mitarbeiter in seiner Kanzlei in Chemnitz angestellt.


Stefan Hartung – Stellvertreter der „Freien Sachsen“

Hartung hat eine lange Vergangenheit in der rechtsextremen Szene. Er gilt als eine zentrale Figur der NPD im Erzgebirge. Der sächsische Verfassungsschutz zählt Hartung „zu den relevantesten rechtsextremistischen Akteuren im Erzgebirgskreis und im Großraum Chemnitz“. 2013 hat Hartung in Schneeberg die rassistischen „Lichtelläufe“ organisiert. Thematisch und ideologisch waren sie ein Vorläufer von Pegida und ein Abbild dessen, was zwei Jahre später in vielen weiteren Orten in Sachsen und bundesweit geschehen sollte: der Zusammenschluss von offenen Neonazis und „normalen Bürger:innen“ auf der Straße. Aus den „Lichtelläufen“ ist 2014 unter Stefan Hartung schließlich der rassistische Verein „Freigeist e.V.“ hervorgegangen. Das Langzeitziel formuliert der Vorsitzende Stefan Hartung folgendermaßen: „Wir dürfen uns nicht länger in Pegida, NPD, AfD und so weiter zersplittern lassen. Alle, ausnahmslos alle heimatliebenden Deutschen müssen sich zu einem neuen Volksaufstand vereinigen“. / Quelle: Belltower


Thomas Kaden – zweite Stellvertreter der „Freien Sachsen“

Zu Beginn der Covid19-Pandemie starte Kaden seine politische Karriere als verzweifelter Busunternehmer, der massiv unter den Corona-Einschränkungen leidet. Dann organisierte er im großen Stil die An- und Abfahrten von „Querdenker:innen“ zu Demonstrationen. Mittlerweile lässt Kaden selbst wenig Zweifel daran, wo er politisch steht. Auf seiner Facebook-Seite teilt er neben „Querdenken“-Inhalten zahlreiche flüchtlingsfeindliche Beiträge, rassistische und homofeindliche Inhalte, außerdem viele Bilder mit Sprüchen wie, „Warum sagen Migranten immer Nazi zu uns? Wenn wir Nazis wären, dann wäre keiner von euch in unserem Land!“. Im Juni trat er als „der OB gegen den Maulkorb“ bei der Wahl zum Oberbürgermeister im sächsischen Plauen an und fuhr mit 7,5 Prozent das fünftbeste Ergebnis ein. / Quelle: Belltower


Robert Andres – Kassenwart der „Freien Sachsen

Genau wie Kohlmann hat Andres für die „Pro Chemnitz“-Fraktion in Chemnitz einen Sitz im Stadtparlament. Zuletzt sorgte er im Dezember 2020 für einen Eklat, als er sich weigerte, bei der Stadtratstagung eine korrekte Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und daraufhin von der herbeigerufenen Polizei aus dem Sitzungssaal entfernt wurde. / Quelle: Belltower


Michael Brück – zentrale Figur der „Freien Sachsen“

Eine weitere wohl zentrale Figur der „Freien Sachsen“ ist Michael Brück. Er blickt auf eine beachtlich lange „Karriere“ als überzeugter Neonazi zurück. Seit seinem 15. Lebensjahr war der bekennende Nationalsozialist in der Kameradschafts-Szene aktiv. 2006, da war er 16, schloss er sich der NPD und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) an. 2008 zog Brück von Bergisch Gladbach in die nordrheinwestfälische „Nazihochburg“ Dortmund, hier schloss er sich der militanten Gruppe „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO) an. Drei Wochen nach dem Verbot der NWDO 2012 entstand die „legale“ Gruppierung „Die Rechte“ mit Parteistatus. Michael Brück wurde sogleich stellvertretender NRW-Vorsitzender dieser rechtsextremen Partei. Von der „Nazi-WG“ in der Emscher Straße in Dortmund-Dorstfeld aus, in der er auch wohnte, betrieb er einen Onlineversandhandel, der lange den unzweideutigen Namen „Antisem Versand“. Ende 2020 wurde bekannt, dass Brück nach Chemnitz gezogen ist, dort ist er als Angestellter für den Chef der „Freien Sachsen“, Martin Kohlmann, tätig. / Quelle: Belltower

Organisation und Vernetzung für den rassistischen Protest

Erkennbar ist eine Herangehensweise wie bei Pegida, wo über einige Jahre mit vergleichbarer Instrumentalisierung des Themas Flüchtlinge, Asyl und Zuwanderung versucht wurde, gepaart mit effektiver Öffentlichkeitsarbeit dank breiter Nutzung der sozialen Medien eine wirkungsvolle wie reichweitenstarke Stimmungsmache zu betreiben, die eine lautstarke Minderheit größer erscheinen lässt als sie tatsächlich ist.

Und wie die aktuellen Proteste zeigen, verfängt in Sachen Impfen und Lockdown eine emotional gesteuerte Indoktrination über eine angeblich entmündigte und der Freiheit beraubte Bevölkerung in den sogenannten neuen Bundesländern mit DDR-Vergangenheit noch einmal intensiver. Daher hat auch nachhaltig betrachtet jemand wie Carsten Schneider als künftiger Ostbeauftragter der neuen Bundesregierung eine vielleicht noch wichtigere Aufgabe als der Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Neben Ex-Kanzlerin Angela Merkel gehörte ja gerade auch Schneider-Vorgänger Marco Wanderwitz zu den Politikern, an die die meisten Hass-Botschaften adressiert waren.

Die wenigen Führungsköpfe von Freies Sachsen greifen darauf zurück, dass sie über ein landesweites und darüber hinaus reichendes Netzwerk in der rechten Szene verfügen. Beim Messengerdienst Telegram haben sich bereits mehr als 120.000 Nutzer dem Vorsitzenden Martin Kohlmann und seinen Gefolgsleuten angeschlossen – Tendenz steigend. Die vielen Protestaktionen werden stets via Freies Sachsen-Kanäle bekannt gemacht – stets mit dem Hinweis, nicht selbst dafür verantwortlich zu sein, um nicht rechtlich belangt zu werden. Und doch leistet man mit solchem Informationsservice Mobilisierungsdienste.


Die „Freien Sachsen“ gründeten ab Oktober Landeskanäle auf Telegram mit zugehörigen Ortskanälen

Dies ist eine Übersicht der Telegramkanäle der „Freien Sachsen„ nach Bundesländern und dazugehörigen Ortskanälen (keine Garantie der Vollständigkeit)